Arbeitslosengeld wegen Nahtlosigkeitsregelung vermittelt keinen Anspruch auf Krankengeld
Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankengeld bei Beziehern von Arbeitslosengeld ist nicht nur der tatsächliche Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Teil 3 (SGB III), sondern auch der Umstand, dass der Arbeitslose das Arbeitslosengeld für einen Tag bezieht, an dem sein Leistungsvermögen nicht unter 15 Stunden wöchentlich gefallen ist. Erhält ein Versicherter Arbeitslosengeld bei beispielsweise Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit und fehlender Vermittelbarkeit nach der sog. Nahtlosigkeitsregelung gem. § 145 SGB III, besteht im Falle einer Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Krankengeld. Zu dieser Auffassung ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 11.05.2020, L 9 KR 312/18 gekommen.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall ist die Frage der Weitergewährung von Krankengeld durch die beklagte Krankenkasse (im Folgenden: Beklagte) strittig. Der Kläger erhielt von der Beklagten Krankengeld aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit, die durch Bandscheibenschäden verursacht wurde, und zwar im Zeitraum vom 5. Juni 2013 bis zum Erreichen des Höchstanspruchs am 24. Januar 2015. Am 8. Januar 2015 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV), wobei er auf verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen verwies, darunter Bandscheibenschäden, Schulterluxation, Epilepsie, Diabetes Mellitus und Hypertonie. Dieser Antrag wurde jedoch aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt, da die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt war.
Ab dem 9. Februar 2015 bezog der Kläger u.a. Leistungen durch die Agentur für Arbeit. Ein Gutachten der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 3. März 2015 bescheinigte dem Kläger Arbeitsunfähigkeit, woraufhin die BA ihm Arbeitslosengeld gemäß § 145 SGB III (Nahtlosigkeit) bewilligte. Am 6. August 2015 erlitt der Kläger einen Hirninfarkt. In der Folge lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab, da die 78-Wochenfrist bereits ausgeschöpft war. Die Beklagte argumentierte, dass die Bandscheibenschäden und der Hirninfarkt als Einheit zu betrachten seien, da der Hirninfarkt während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit aufgetreten sei.
Das Sozialgericht wies die Klage des Klägers mit der Begründung ab, dass der Hirninfarkt als eine hinzutretende Erkrankung zu werten sei, die das Schicksal der ursprünglichen Erkrankung teile. Im Berufungsverfahren trug der Kläger vor, dass der Hirninfarkt unabhängig von den Bandscheibenschäden sei und er bis zu diesem Zeitpunkt arbeitsfähig gewesen sei.
Entscheidung: Kein Anspruch auf Krankengeld
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) wies die Berufung mit Urteil vom 11.05.2020 des Klägers zurück und ließ die Revision vor dem Bundessozialgericht (BSG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld ab dem 6. August 2015, dem Folgetag des Hirninfarkts, wurden nicht nachgewiesen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit infolge des Hirninfarkts in der gesetzlichen Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) pflichtversichert. Seine Beschäftigtenversicherung endete am 24. Januar 2015 aufgrund der Höchstleistungsdauer gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der Kläger bezog Arbeitslosengeld aufgrund der Fiktion des § 145 SGB III. Nach herrschender Auffassung fingiert § 145 SGB III das für den Bezug von Arbeitslosengeld grundsätzlich erforderliche gesundheitliche Leistungsvermögen des Arbeitslosen.
Soweit der Kläger geltend macht, er sei bis zum Eintritt des Hirninfarkts arbeitsfähig gewesen, könnte dies einen Anspruch auf Krankengeld begründen, vermittelt durch die durch die KVdA. Allerdings wurde die Arbeitsfähigkeit nicht nachgewiesen. Die objektive Beweislast, dass der Kläger vor dem 5. August 2015 in der Lage war, mindestens 15 Wochenstunden zu arbeiten, liegt beim Kläger. Eine Auswertung der medizinischen Dokumentation der Krankenversicherung, der BA und der Rentenversicherung spricht im Ergebnis eher dafür, dass der Kläger gemäß § 140 SGB III nicht in dem Umfang leistungsfähig war, der den Anforderungen des § 145 SGB III entspricht. Da eine zwischenzeitliche Arbeitsfähigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosenkrankengeld gemäß § 146 SGB III und auf die Bewilligung von Krankengeld durch die Beklagte.
Selbst wenn § 145 SGB III einen Anspruch auf Krankengeld begründen könnte, wäre im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Krankengeld aufgrund der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V entstanden. Das Hinzutreten einer weiteren Erkrankung, in diesem Fall des Hirninfarkts, verlängert die Bezugsdauer während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht. Der Anspruch auf Krankengeld wegen der Rückenleiden war am 24. Januar 2015 erschöpft, und der Hirninfarkt trat als zusätzliche Erkrankung während der bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Bandscheibenschäden auf. Eine zwischenzeitliche Arbeitsfähigkeit wurde nicht nachgewiesen, was die Ansprüche des Klägers weiter einschränkt.
Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch gemäß § 48 Abs. 2 SGB V, da der Kläger seit Beginn der ersten Blockfrist durchgehend aufgrund der Bandscheibenschäden arbeitsunfähig war. Infolgedessen war die Berufung des Klägers in vollem Umfang unbegründet.
Relevanz für die Praxis
Diese Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der zugrunde liegenden Versicherungsverhältnisse im Rahmen von Ansprüchen auf Krankengeld. Ein Anspruch auf Krankengeld aufgrund von Arbeitsunfähigkeit besteht grundsätzlich nicht nur im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, sondern auch im Kontext einer Arbeitslosenpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Arbeitslosengeld ausschließlich auf der Grundlage der Fiktion des § 145 SGB III, der sog. Nahtlosigkeitsregelung bezogen wird.
Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III gründet sich auf den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 in Verbindung mit § 140 SGB III, die die Möglichkeit zur Ausübung einer zumutbaren Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden voraussetzen. Die Regelung des § 145 SGB III bekannt, soll lediglich Nachteile ausschließen, die einem leistungsgeminderten Arbeitslosen innerhalb eines differenzierten und gegliederten Sozialleistungssystems entstehen können, weil sich kein Leistungsträger für materiell-rechtlich zuständig hält.
Obwohl der Kläger in diesem Fall bestandskräftig Arbeitslosengeld erhalten hat, kann das konkret zugrunde liegende Versicherungsverhältnis – so das LSG – keinen Anspruch auf Krankengeld nach zunächst § 146 SGB III und anschließend gemäß §§ 44 ff. SGB V vermitteln. Dies zeigt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Nachweisführung über die Arbeitsfähigkeit von entscheidender Bedeutung sind, um Ansprüche auf Krankengeld erfolgreich geltend zu machen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entscheidung des LSG die Notwendigkeit unterstreicht, die individuellen Umstände und die rechtlichen Grundlagen bei der Beantragung von Krankengeld sorgfältig zu prüfen. Insbesondere ist es wichtig, die Nachweispflichten hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit zu beachten und die relevanten gesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigen, um mögliche Ansprüche auf Krankengeld nicht zu gefährden.
Die zugelassene Revision vor dem BSG wurde vom Kläger nicht erhoben. Das Urteil wurde somit rechtskräftig.