Kein Anspruch auf Verletztengeld bei Einkünften während der Arbeitsunfähigkeit
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 25.03.2025, B 2 U 2/23 R unmissverständlich festgestellt, dass Selbständige keinen Anspruch auf Verletztengeld haben, wenn sie während der Arbeitsunfähigkeit beispielsweise in ihrem Betrieb weiter arbeiten und daraus Einkommen erzielen.
Zum Fall
Der Kläger betreibt als Selbständiger eine Praxis für Physiotherapie und Krankengymnastik mit mehreren angestellten Physiotherapeuten. Aus seiner aktiven Zeit als Profisportler wurde eine Berufskrankheit anerkannt (Meniskusschäden).
Aufgrund seiner Meniskusschäden war der Kläger seit Dezember 2014 arbeitsunfähig. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Gewährung von Verletztengeld ab. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe dem Grunde nach Anspruch auf Verletztengeld. Das in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen sei indes vollständig anzurechnen und führe zum Wegfall des Verletztengeldes. Das Bundessozialgericht habe zwar in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass bei Ausfall der Arbeitskraft eines im Betrieb voll mitarbeitenden Unternehmers davon auszugehen sei, dass ein Einkommensverlust eingetreten sei. Diese Rechtsprechung sei jedoch nicht anwendbar, weil der Kläger im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit in seiner Praxis weiter leitende, verwaltende und betriebswirtschaftlich relevante Tätigkeiten ausgeübt hat.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 52 SGB VII. Arbeitseinkommen, das dem Versicherten im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit unabhängig von seiner persönlichen Mitarbeit zufließe, könne auf das Verletztengeld nicht angerechnet werden.
Die Revision des Klägers war erfolglos. Zu Recht hat das Landessozialgericht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen.
Der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld ist aufgrund der Anrechnung von Arbeitseinkommen gemäß § 52 Nr. 1 SGB VII vollständig entfallen. Arbeitseinkommen eines Unternehmers, das während einer Arbeitsunfähigkeit erzielt wird, ist grundsätzlich auf den Verletztengeldanspruch anzurechnen. Eine Differenzierung danach, welche konkreten Teile des Arbeitseinkommens während der Arbeitsunfähigkeit auf eigener Mitarbeit des Unternehmers beruhen, sieht das Gesetz nicht vor.
Von einem Wegfall des Arbeitseinkommens kann nach der Rechtsprechung des BSG aber ausgegangen werden, wenn die Mitarbeit des Unternehmers im Unternehmen wegen seiner Arbeitsunfähigkeit für einen nicht unbedeutenden Zeitraum vollständig oder nahezu vollständig entfällt. In diesem Fall kann ein fiktiver Einkommensverlust anzunehmen sein und Verletztengeld müsste gezahlt werden.
Das Landesozialgericht hat aber in dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt für das BSG bindend festgestellt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum seine Praxis für Physiotherapie nicht nur geringfügig weiterbetrieben und auch weiterhin leitende, verwaltende und auch betriebswirtschaftlich relevante Tätigkeiten, wie Kundenakquise und -betreuung, ausgeübt hat. Auch wenn der Kläger in deutlich verringertem Umfang in der Praxis tätig war als vor der Arbeitsunfähigkeit, dienten seine Tätigkeiten dem Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Praxis und trugen zu ihrem Ergebnis bei.
Aus diesem Grund konnte kein Anspruch auf Verletztengeld bejaht werden.
Analoge Anwendung bei Bezug von Krankengeld
Die Entscheidung des BSG v. 25.03.2025 entspricht auch der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG bei einem Selbständigen der im Falle einer Arbeitsunfähigkeit Krankengeld begehrt (vgl. BSG vom 14.12.2006, B 1 KR 11/06 R) Bei der Berechnung der Krankengeldhöhe ist weiter erzieltes Arbeitseinkommen zu berück-sichtigen und anzurechnen (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), sofern Selbstständige auch während der Arbeitsunfähigkeit zeitweise weiterhin im Betrieb mitarbeiten.
Haben selbstständig Erwerbstätige vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Unternehmen hauptberuflich persönlich mitgearbeitet und entfällt diese Mitarbeit nunmehr aufgrund der Arbeitsunfähigkeit, ist für diese Zeit regelmäßig und ohne, dass es weiterer Ermittlungen bedarf von einem vollständigen Verlust des Arbeitseinkommens auszugehen.
Erfolgt während der Arbeitsunfähigkeit eine Mitarbeit im Betrieb und wird Einkommen erzielt, das einer konkreten Arbeitsleistung zuzuordnen ist oder beschränkt auf eine administrative oder überwachende Tätigkeit, erfolgt eine Anrechnung von Arbeitseinkommen während des Krankengeldbezugs anhand des erbrachten Arbeitseinsatzes.



