Krankengeld für eine bei stationärer Behandlung mitaufgenommene Begleitperson
Zum 01.11.2022 haben Begleitpersonen aus dem engsten persönlichen Umfeld einen Anspruch auf Krankengeld gem. § 44 b Sozialgesetzbuch Teil V (SGB V) bei Mitaufnahme zu einer stationären Krankenhausbehandlung. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Gesetz zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (TAMG).
In der Vergangenheit bestanden Probleme, bei denen die ungeklärte Kostenträgerschaft für die Übernahme der Kosten von vertrauten Begleitpersonen von Menschen mit Behinderungen (Ausgleich von Verdienstausfall bei Personen aus dem persönlichen Umfeld oder Übernahme der (Personal)kosten bei Mitarbeitenden eines Leistungserbringers der Eingliederungshilfe) während einer stationären Krankenhausbehandlung beanstandet wurde.
Mit der gesetzlichen Neuregelung möchte der Gesetzgeber die Versorgung von Menschen mit Behinderung deutlich verbessern und die Kostentragung bei privater oder professioneller Begleitung deutlicher voneinander trennen. Dies gilt insbesondere für Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung oder Menschen, die sich sprachlich nicht verständigen können.
Anspruchsvoraussetzungen
Zusammengefasst müssen für einen Anspruch auf Krankengeld gem. § 44 b Abs. 1 SGB V folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf Krankengeld nach § 44b SGB V, wenn sie zur Begleitung einer gesetzlich versicherten Person stationär im Krankenhaus mit aufgenommen werden.
- Die Begleitung muss medizinisch erforderlich sein (das Krankenhaus stellt die Notwendigkeit fest).
- Bei der zu begleitenden versicherten Person muss eine (drohende) Behinderung vorliegen.
- Die zu begleitende Person muss Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen.
- Die Begleitperson muss ein naher Angehöriger oder eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld der zu begleitenden Person sein.
- Die Begleitperson erbringt keine Leistungen der Eingliederungshilfe gegen Entgelt gegenüber der stationär zu begleitenden Person.
- Der Begleitperson muss ein Verdienstausfall aufgrund der Begleitung entstehen.
Begleitperson
Damit ein Anspruch auf Krankengeld besteht, muss die Begleitperson lediglich gesetzlich krankenversichert sein. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Begleitperson versicherungspflichtig, freiwillig oder im Rahmen der Familienversicherung versichert ist.
Keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 44b SGB V haben Begleitpersonen, wenn sie Leistungen der Eingliederungshilfe nach
- Teil 2 (§§ 90 – 150) SGB IX (Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen),
- 35a SGB VIII (für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung) oder
- 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG (für Kriegsopfer)
gegen Entgelt gegenüber der stationär zu begleitenden Person erbringen.
Der Anspruch ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn eine Begleitung durch Mitarbeitende eines Leistungserbringers der Eingliederungshilfe nach § 113 Abs. 6 SGB IX oder in den Fällen von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sowie § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG entsprechend § 113 Abs. 6 SGB IX gewährt wird.
Für einen Anspruch auf Krankengeld muss der Begleitperson ein Verdienstausfall entstehen. Dies gilt im Besonderen für Arbeitnehmer, selbständig Erwerbstätige (auch ohne Anspruch auf Krankengeld) Bezieher von Arbeitslosengeld I und II oder Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger, Teilnehmende an Freiwilligendiensten. Die Begleitung muss für den Verdienstausfall ursächlich sein.
Angehörige oder Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld
Als Begleitperson kann nur anerkannt werden, wenn es sich um Angehörige oder um eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld der stationär zu behandelnden Person handelt.
Nahe Angehörige sind Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwäger, Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Lebenspartner, eigene Kinder oder Adoptiv- oder Pflegekinder oder die des Ehegatten oder Lebenspartners sowie die Schwiegerkinder und Enkelkinder der stationär zu behandelnder Person.
Handelt es sich bei der Begleitperson nicht um nahe Angehörige, kann bei Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 44b Abs. 1 SGB V ein Krankengeldanspruch für vertraute Bezugspersonen bestehen. D.h., die stationär zu behandelnde Person hat zur Begleitperson eine gleiche persönliche Bindung wie zu nahen Angehörigen. Dies ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.
Anspruch auf unbezahlte Freistellung
Gegenüber dem Arbeitgeber haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung. Ggfs. ist aber vertraglich geregelt, dass genau aus diesen Gründen ein Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. In diesem Fall kann nicht noch zusätzlich Krankengeld gezahlt werden.
Zu begleitende Versicherte
Die zu begleitenden (stationär zu behandelnden) Versicherten müssen alle folgende Anspruchsvoraussetzungen erfüllen:
- Die Person ist gesetzlich krankenversichert.
- Die Person wird stationär im Krankenhaus behandelt.
- Die Person benötigt aus medizinischen Gründen eine Begleitung.
- Bei der Person liegt eine (drohende) Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX vor.
- Die Person erhält Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 (§§ 90 – 150) des SGB IX, § 35a SGB VIII oder § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG.
- Die Person nimmt keine Leistungen nach § 113 Abs. 6 SGB IX in Anspruch.
Es genügt, wenn die zu begleitende Person gesetzlich krankenversichert ist. Auf den Status des Versicherungsverhältnisses kommt es nicht an.
Unter stationär im Krankenhaus versteht man die vollstationäre, stationsäquivalente, teilstationäre sowie vor- und nachstationäre Krankenhausbehandlung. Ein Anspruch ist ausgeschlossen, wenn es sich um eine stationäre Reha-Maßnahme oder Leistungen der Übergangspflege nach § 39e SGB V handelt.
Begleitung aus medizinischen Gründen
Der Krankengeldanspruch ist u. a. davon abhängig, dass die Begleitung der behandlungsbedürftigen Versicherten aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Dies ist erfüllt, wenn sich der Bedarf der Begleitung aus den Erfordernissen ergibt, die in der Person der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten begründet sind. Maßgeblich sind die aufgrund der Behinderung bestehenden besonderen Bedürfnisse der zu begleitenden Versicherten.
Zu den jeweiligen Kriterien, die hierfür erfüllt sein müssen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Krankenhausbegleitungs-Richtlinie (KHB-RL) verabschiedet.
Feststellung und Bescheinigung der medizinisch notwendigen Begleitung
Das Krankenhaus muss die medizinische Notwendigkeit einer Begleitperson sowie das Vorliegen der medizinischen Kriterien gemäß der KHB-RL feststellen.
Die Feststellung kann zu Beginn oder auch im Verlauf einer stationären Krankenhaus-behandlung erfolgen.
Um die Krankenhäuser bei der Feststellung der medizinisch notwendigen Begleitung zu unterstützen, soll bei geplanten Krankenhausbehandlungen mindestens ein medizinisches Kriterium der Anlage der KHB-RL auf dem für die Krankenhauseinweisung vorgesehenen Vordruck (Verordnung von Krankenhausbehandlung, Muster 2) angegeben werden, sofern die Krankenhausbehandlung verordnende Person die Begleitung aus medizinischen Gründen für erforderlich hält. Dies gilt auch, sofern eine vergleichbare Schädigung oder Beeinträchtigung vorliegt.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass unabhängig von einer Krankenhauseinweisung das Vorliegen mindestens eines medizinischen Kriteriums der Anlage der KHB-RL für die Dauer von bis zu 2 Jahren formlos gegenüber der Patientin oder dem Patienten bescheinigt wird, sodass die zu begleitende Person im Falle einer (ungeplanten) Krankenhausbehandlung diese Bescheinigung zur Information des Krankenhauses vorlegen kann.
Für die Inanspruchnahme des Krankengeldes muss die Begleitperson nachweisen, dass und an welchen Tagen ihre Begleitung aus medizinischen Gründen erforderlich ist oder war.
Die erforderliche Bescheinigung ist vom Krankenhaus auszustellen.
Vorliegen einer Behinderung nach § 2 Abs. 1 SGB IX
Bei den zu begleitenden Versicherten muss es sich um Personen handeln, bei denen eine Behinderung nach § 2 Abs. 1 SGB IX vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn bei der oder dem zu begleitenden Versicherten körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen vorliegen, die die oder den zu begleitenden Versicherten in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine solche Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Die Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn bei der oder dem zu begleitenden Versicherten eine der vorgenannten Beeinträchtigungen zu erwarten ist (drohende Behinderung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB IX).
Zum Nachweis einer vorliegenden (drohenden) Behinderung genügt der Nachweis, dass die zu begleitenden Versicherten Eingliederungshilfeleistungen erhalten - denn ein Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen besteht nur, sofern die Personen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 SGB IX erfüllen.
Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe
Die zu begleitenden Versicherten müssen Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 (§§ 90 – 150) SGB IX, § 35a SGB VIII (anspruchsberechtigt sind Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung) oder § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG (anspruchsberechtigt sind Kriegsopfer des ersten und zweiten Weltkriegs) beziehen.
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 102 SGB IX) gehören insbesondere Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Teilhabe an Bildung sowie Leistungen zur Sozialen Teilhabe.
Kein Anspruch bei Begleitung durch Mitarbeitende von Leistungsträgern der Eingliederungshilfe
Der Krankenanspruch ist ausgeschlossen, wenn im Rahmen der Eingliederungshilfe nach bzw. in den Fällen des § 35a SGB VIII oder des § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG entsprechend § 113 Abs. 6 SGB IX gewährt wird. Hier übernimmt der für Leistungen der Eingliederungshilfe zuständige Träger die Durchführung der Begleitung und ihre Finanzierung. Eine ergänzend hierzu zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnende Begleitung durch Angehörige oder Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld ist ausgeschlossen.
Mitaufnahme oder ganztägige Begleitung
Der Krankengeldanspruch besteht für die Dauer der stationären Mitaufnahme; dem gleichzusetzen ist eine ganztägige Begleitung durch die Begleitperson.
Diese liegt vor, wenn die Zeit der notwendigen Anwesenheit im Krankenhaus zusammen mit den Zeiten der An- und Abreise insgesamt mindestens 8 Stunden am Tag umfasst. Zu den Reisezeiten gehören auch Zeiten der Fahrt zum oder vom Krankenhaus sowie ggf. Zeiten der Anreise zu oder Abreise von der Häuslichkeit (z. B. Wohnung) der zu begleitenden Versicherten, sofern die Begleitung auch während der Fahrt erforderlich ist (z. B. wegen fremdaggressiven Verhaltens oder Ängsten). Die medizinische Notwendigkeit der Begleitung während der Fahrt muss nicht gesondert nachgewiesen werden.
Es ist nicht erforderlich, dass die Begleitperson im Krankenhaus übernachtet. Demzufolge kann es in Einzelfällen vorkommen, dass die stationär zu behandelnde Person von mehreren Begleitpersonen abwechselnd begleitet wird. Möglich ist ein Wechsel während der Krankenhausbehandlung als auch ein untertägiger Wechsel, wenn den Begleitpersonen keine längere Begleitung möglich ist. Ein Anspruch nach § 44b SGB V besteht für die Begleitpersonen jeweils dann, wenn sie für sich gesehen die Anspruchskriterien des § 44b SGB V erfüllen, d. h. die Begleitung und die An- und Abreisezeiten zusammen mindestens 8 Stunden umfassen.
Beginn und Ende des Krankengeldanspruchs
Ein Rechtsanspruch besteht erst ab dem 01.11.2022. Sofern die Anspruchsvoraussetzungen alles erfüllt sind, besteht der Anspruch am Tag des Beginns der Begleitung. In Ausnahmefällen gilt bei weit entfernten Krankenhäusern bereits der Tag der An- bzw. Abreise, sofern die Reisezeit mindestens 8 Stunden an diesem Tag beträgt.
Der Anspruch endet mit dem Tag, an dem die Begleitung nicht mehr erforderlich oder andere Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen.
Die Dauer des Bezugs von Krankengeld nach § 44 b SGB V wird nicht auf die Höchstanspruchsdauer des „normalen“ Krankengeldes gem. § 44 SGB V im Sinne des § 48 SGB V angerechnet.
Berechnung des Krankengeldes
Für Begleitpersonen errechnet sich das Krankengeld nach § 44b SGB V nach den Vorgaben der §§ 47 ff. SGB V, sodass die Berechnung des Regelentgelts grundsätzlich analog zum Krankengeld nach § 44 SGB V erfolgt (s. Artikel "Krankengeldhöhe").
Das Regelentgelt ist auch für Begleitpersonen zu berechnen, die sich in einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis befinden und daher von ihrem Arbeitsentgelt keine Beiträge zur Krankenversicherung entrichten. Hierzu gehören:
- Personen, die eine versicherungsfreie geringfügig entlohnte Beschäftigung ausüben,
- Werkstudentinnen und Werkstudenten sowie
- Praktikantinnen und Praktikanten.
Da für diese Personenkreise grundsätzlich kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt (abgesehen von dem pauschalen Arbeitgeberbeitrag nach § 249b SGB V für geringfügig entlohnt Beschäftigte) vorliegt, können die Regelungen des § 47 SGB V nur analog angewandt werden. D.h. es ist dem Grunde nach immer das Sozialversicherungsbruttoentgelt für die Berechnung heranzuziehen.
Bezug anderer Entgeltersatzleistungen
Soweit und solange Begleitpersonen andere Entgeltersatzleistungen wie
- Krankengeld nach § 44 SGB V,
- Kinderpflegekrankengeld nach § 45 Abs. 1 SGB V,
- Kinderverletztengeld nach § 45 Abs. 4 SGB VII i. V. m. § 45 SGB V,
- Versorgungskrankengeld,
- Mutterschaftsgeld,
- Übergangsgeld oder
- Kurzarbeitergeld bei Kurzarbeit „Null“ (100%ige Kurzarbeit)
beziehen, besteht kein Krankengeldanspruch nach § 44b SGB V, da ihnen dadurch kein Verdienstausfall entsteht. Dies gilt auch für vergleichbare ausländische Entgeltersatzleistungen.